Da brochen se sich keene Sorgen machen

Fast zwei Stunden kam Ich zu spät zu einer Wohnungsbesichtigung, da mein polnischer Chauffeur, der zuerst Jessica B. auf Mitfahrgelegenheit hieß und auch eine weibliche Stimme am Telefon hatte, noch ein paar Fahrgäste in Essen und Bochum eingesammelt hat, darunter zwei Wellensittiche. Ich entschuldigte mich für meine Verspätung und überhörte den Nebensatz "Ach, nicht so schlimm, der Nächste kommt erst um 17 Uhr", ein Blick auf die Uhr im Flur verriet mir, dass es nur noch 20 Minuten bis Fünf Uhr waren. Kurz nach 5 klingelte es auch schon an der Tür und so saß Ich mit der ehemaligen Nachbarin, die spontan zu Besuch vorbei kam, in der Küche.

Die Vermieterin öffnete die Tür, in der Küche hörte Ich kaum etwas, Ich konnte nur erahnen, dass geredet wurde. Die ehemalige Nachbarin und Ich hielten ein verkrampftes Gespräch, Ich hätte mich gerne an einem Glas festgeklammert und im 5-Sekunden-Takt dran genippt, hatte aber keins.

Schritt für Schritt näherten sich die beiden der Küche, die Vermieterin erklärte die einzelnen Zimmer, das Badezimmer liegt direkt neben der Küche. "Ja, und das ist das große Bad... hier gilt: wer's verschmutzt macht auch wieder sauber" sagte sie in ruhigem Ton. "Da brochen se sich keene Sorgen machen" platzte es aus ihm heraus "Ick bin jelernte Fachkraft für Reinijung von Glas- und Keramikflächen".
Die Ex-Nachbarin und Ich schauten uns im exakt gleichen Augenblick an. In ihrem Kopf war bestimmt ein "Ohje." und in meinem Kopf füllte ein lautes "Oh nein!" alles aus.

Ich war so schockiert von seiner physischen Erscheinung, dass Ich nicht mitbekommen habe wie er heißt, was weiterhin eventuell sogar besser ist, sonst hätte Ich noch einen weiteren Namen auf der Liste "Namen-die-meine-Kinder-nicht-bekommen", und die ist schon lang genug.
Seine Zahnlücke ließ den alten Pullover und die Trainingshose etwas in den Hintergrund rücken.
Jetzt kommt einer meiner Standard-Sätze: <<Normalerweise achte Ich ja üüüberhaupt nicht auf Äußerlichkeiten ABER...>> man hat doch eine ganz bestimmte Wirkung.

Eine der ersten und gängigsten Standard-Fragen ist wohl "Was machst du? Studierst du oder arbeitest du?", danach kommen meistens Fragen wie "Und wo wohnst du zur Zeit?" und vor allem: "Wie alt bist du?" Um nicht allzu abgehackt zu antworten bemühe Ich mich ausschmückende Sätze zu formulieren wie "Ich bin diesen Sommer 24 geworden", mein Gegenüber antwortete kurz und knapp "Icke bin 35".
Auf die Frage, wie unsere Wochenendgestaltung aussähe antwortete Ich wahrheitsgemäß, dass Ich wohl im zwei-Wochen-Rhythmus nach Hause fahre, sonst eher ganz ruhig mit DVDs schauen und "viel-Zeit-am-PC-verbringen". Mein Gegenüber hatte daraufhin auch keine Scheu die Wahrheit zu sagen "Alle zwee Wochen is' ja en Auswärtsspiel, da bin ick unterwegs" und "sonst häng ick mit den Jungs rum".

Die Uhr am Backofen verriet mir, dass Ich es noch grade pünktlich zum nächsten Termin schaffen würde, also verabschiedete Ich mich brav, zog meine Jacke wieder an und wuchtete meine schwere Tasche auf die Schulter. Zwischen Tür und Angel entschuldigte Ich mich nochmal für meine Verspätung und die damit verbundene unangenehme Situation. Die Vermieterin winkte ab und versicherte mir, dass es nicht schlimm sei "Ich hab den nur herkommen lassen weil seine Mutter mich am Telefon so bequatscht hat"

Ich muss nicht wiederholen, dass er 35 Jahre alt ist oder?

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